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Bereitgestellt: 18.08.2021
„Bezeugt alles, wovon die Menschen leben und wofür sie sind": Eugen Drewermanns Rede in Rheinfelden
Am Sonntag, 15. August predigte Eugen Drewermann im Rahmen eines Gottesdienstes in der reformierten Kirche Rheinfelden. Dass der Theologe, Psychoanalytiker und Autor von mehr als hundert Büchern achtzig Jahre alt ist, war ihm nicht anzumerken. Weit über eine Stunde lang sprach er zu seinem Publikum, frei, ohne Manuskript und durchwegs druckreif.
Andreas Fischer,
Gleich zu Beginn setzte er die erste Pointe: „Sehr herzlich danke ich Ihnen, dass Sie heute hier in der Kirche sind. Sie tun damit etwas, was in den Augen der Gesellschaft nutzlos ist. Es wird gebetet, es werden Lieder gesungen, es ist reine Zeitverschwendung, Sie steigern nicht das Bruttosozialprodukt.“ Viele weitere derart träfe Aussagen sollten folgen, in einer epischen Rede, in der er sich auf die Begegnung Jesu mit der Samaritanerin am Jakobsbrunnen (Johannesevangelium, Kapitel 4) bezog, aber immer wieder auch weite, wortgewaltige Bögen in Geschichte und Gegenwart spannte, zu Alexander dem Grossen, Napoleon und Joe Biden, dem Nationalsozialismus, der Klimakrise, dem Raubtierkapitalismus, der Islamophobie, der Verfasstheit der Kirche usw.
Dass sich Jesus zu Beginn des Predigttextes aus Judäa weg ins Ausland begibt, hängt, so Drewermann, damit zusammen, dass er „angewidert ist von der dort herrschenden Religion in ihrer institutionalisierten und verwalteten Aussenseite, etabliert als ein Tummelplatz merkwürdiger Erfolge.“ Es wiederholt sich hier das eingangs erwähnte Grundanliegen Drewermanns: Das Leben ist zweckfrei, es hat seinen Wert in sich, es bedarf dafür keiner Erfolge, keiner Leistungen noch Titel. Auch Sakramente und heilige Orte wie der Tempelberg sind nicht von Bedeutung. „Gott ist Geist“, heisst es im Text pointiert, echte Religiosität vollzieht sich „in Geist und Wahrheit“, also innerlich, nicht an Äusserlichkeiten gebunden. Und so zeigt sich das wahre Wesen Jesu als „Retter der Welt“ gerade hier, ausserhalb des „Heiligen Landes“ in einer aus damaliger jüdischer Perspektive gottlosen Zone, zur Sprache gebracht erst noch von einer Frau. Auf ihr Zeugnis hin kommen viele Menschen zum Glauben.
Was über die Samaritanerin im Evangelium ausgesagt wird, erinnert Drewermann an die Erzählung eines deutschen Soldaten und späteren Pfarrers, mit der er, spürbar bewegt, seine Predigt endete: „Der Mann hatte in einem Dorf ein junges Mädchen kennengelernt und in seinem gebrochenen Russisch mit ihr über etwas zu reden versucht, das ihm aufgefallen war. In der kleinen Hütte hatte er eine russische Ikone über dem Ofen der Schlafstatt gesehen, und nun fragte er, wie denn das komme, sagten doch die Bolschewiki, dass es keinen Gott gebe. Das Mädchen antwortete: «Die Bolschewiki lügen.» – «Ja aber warum?» Und sie, um ihm die schwere Sprache des Russischen nicht zuzumuten, zeigte über sich auf die Sterne und auf den Fluss, dann auf sich selbst, «und», sagte sie, «Mutter hat gesagt.» – «Ich», erklärte dieser spätere Pastor, «habe ein besseres Glaubensbekenntnis niemals vernommen. Es gibt das Zeugnis der Sinne: die Schönheit des Himmels, die Majestät der Welt; es gibt das leise Zeugnis des eigenen Herzens; und es gibt die Sprache der Menschen, die wir am meisten lieben; und kommen diese drei zusammen, bezeugt sich alles, wovon die Menschen leben und wofür sie sind."
Auch als der ehemalige katholische Priester abschliessend den Segen sprach mit Worten aus dem 23. Psalm („Der Herr ist mein Hirte…“), war er spürbar bewegt, und nachdem unsere Kirchenmusikerin Assel Abilseitova als Zugabe noch sein Lieblingsstück, das Nocturne op. 9 von Frédéric Chopin gespielt hatte, ging Eugen Drewermann spontan noch einmal zum Mikrophon und sagte, er habe über achtzig Jahre alt werden müssen, um einen musikalisch so beseelten Gottessdienst erleben zu dürfen. Dann musste der betagte Mann sich beeilen, um den Zug Richtung Paderborn noch zu erreichen.
Bedauerlicherweise waren Mikrophon und Aufnahmegerät nicht ganz so fit wie Eugen Drewermann. Die Aufnahme ist unbrauchbar – wir entschuldigen uns für das Missgeschick. Wer Eugen Drewermann im Internet erleben möchte, hat dazu indessen eine Fülle von Möglichkeiten, z.B. auf seinem Youtube-Kanal: » Drewermann auf youtube
Dass sich Jesus zu Beginn des Predigttextes aus Judäa weg ins Ausland begibt, hängt, so Drewermann, damit zusammen, dass er „angewidert ist von der dort herrschenden Religion in ihrer institutionalisierten und verwalteten Aussenseite, etabliert als ein Tummelplatz merkwürdiger Erfolge.“ Es wiederholt sich hier das eingangs erwähnte Grundanliegen Drewermanns: Das Leben ist zweckfrei, es hat seinen Wert in sich, es bedarf dafür keiner Erfolge, keiner Leistungen noch Titel. Auch Sakramente und heilige Orte wie der Tempelberg sind nicht von Bedeutung. „Gott ist Geist“, heisst es im Text pointiert, echte Religiosität vollzieht sich „in Geist und Wahrheit“, also innerlich, nicht an Äusserlichkeiten gebunden. Und so zeigt sich das wahre Wesen Jesu als „Retter der Welt“ gerade hier, ausserhalb des „Heiligen Landes“ in einer aus damaliger jüdischer Perspektive gottlosen Zone, zur Sprache gebracht erst noch von einer Frau. Auf ihr Zeugnis hin kommen viele Menschen zum Glauben.
Was über die Samaritanerin im Evangelium ausgesagt wird, erinnert Drewermann an die Erzählung eines deutschen Soldaten und späteren Pfarrers, mit der er, spürbar bewegt, seine Predigt endete: „Der Mann hatte in einem Dorf ein junges Mädchen kennengelernt und in seinem gebrochenen Russisch mit ihr über etwas zu reden versucht, das ihm aufgefallen war. In der kleinen Hütte hatte er eine russische Ikone über dem Ofen der Schlafstatt gesehen, und nun fragte er, wie denn das komme, sagten doch die Bolschewiki, dass es keinen Gott gebe. Das Mädchen antwortete: «Die Bolschewiki lügen.» – «Ja aber warum?» Und sie, um ihm die schwere Sprache des Russischen nicht zuzumuten, zeigte über sich auf die Sterne und auf den Fluss, dann auf sich selbst, «und», sagte sie, «Mutter hat gesagt.» – «Ich», erklärte dieser spätere Pastor, «habe ein besseres Glaubensbekenntnis niemals vernommen. Es gibt das Zeugnis der Sinne: die Schönheit des Himmels, die Majestät der Welt; es gibt das leise Zeugnis des eigenen Herzens; und es gibt die Sprache der Menschen, die wir am meisten lieben; und kommen diese drei zusammen, bezeugt sich alles, wovon die Menschen leben und wofür sie sind."
Auch als der ehemalige katholische Priester abschliessend den Segen sprach mit Worten aus dem 23. Psalm („Der Herr ist mein Hirte…“), war er spürbar bewegt, und nachdem unsere Kirchenmusikerin Assel Abilseitova als Zugabe noch sein Lieblingsstück, das Nocturne op. 9 von Frédéric Chopin gespielt hatte, ging Eugen Drewermann spontan noch einmal zum Mikrophon und sagte, er habe über achtzig Jahre alt werden müssen, um einen musikalisch so beseelten Gottessdienst erleben zu dürfen. Dann musste der betagte Mann sich beeilen, um den Zug Richtung Paderborn noch zu erreichen.
Bedauerlicherweise waren Mikrophon und Aufnahmegerät nicht ganz so fit wie Eugen Drewermann. Die Aufnahme ist unbrauchbar – wir entschuldigen uns für das Missgeschick. Wer Eugen Drewermann im Internet erleben möchte, hat dazu indessen eine Fülle von Möglichkeiten, z.B. auf seinem Youtube-Kanal: » Drewermann auf youtube